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Glauben und Kirche

Gedanken zum Sonntag


„So sind wohl manche Sachen...“
von unserer Gastautorin Ilse W. Blomberg

Haben Sie schon einmal zu einem Kind, das sich verletzt hat und weint, gesagt: „Indianer kennt keinen Schmerz!“ ? Oder : ...übermorgen Mausespeck, bei deiner Hochzeit ist alles weg!“ ? Haben Sie? Oder haben Sie in den Schmerz hinein andere Worte gefunden, wie: „Wird schon nicht so schlimm sein“ oder „daran ist noch keiner gestorben“?

Wörterfloskelpflaster auf Wunden, die offen bleiben  und den Schmerz nicht lindern.

„Bei deiner Hochzeit ist alles weg“, ignoriert den Momentimpuls des Schmerzes, nimmt ihn nicht ernst und nimmt somit den Schmerzhabenden nicht ernst. Man kann sich ja mal was Liebevolleres ausdenken.

Ich habe im Laufe meiner Zeit als Grundschullehrerin viel dazu gelernt und mir Trostworte ausgedacht, um einer Schmerzsituation hilfreich begegnen zu können.  Schrammen heilten ja wieder und blaue Flecken wurden wieder hell. Aber als der Schüler eines 4. Schuljahres mir mit Tränen in den Augen  gegenüberstand, hätte keines meiner Trostworte ihn erreicht, denn seine Schmerzen waren anderer Art.  Mit leiser  rauer Stimme sagte er: „Hier lachen mich alle aus. Hier will ich nicht bleiben!“ Und mein Angebot, gemeinsam mit der Klasse zu reden, brachte nur neue Tränen hervor.

Sie lachen mich alle aus.

In dem afrikanischen Märchen, „Der Korb mit den wunderbaren Sachen“, wird von einem Kuhhirten erzählt, dem es gelang, eine Himmelsfrau zu fangen. Sie wurden beide ein glückliches Paar und durch ihrer Hände Arbeit wohlhabend. Und so sehr sich der Rinderhirte mit seiner Himmelsfrau glücklich schätzte, so quälte ihn jedoch eines:  Seine Frau hatte vom Himmel einen Korb mitgebracht und ihn wegen dieses Korbes gebeten: „Niemals darfst Du da hineinschauen! Wenn Du es dennoch tust, wird uns beide großes Unglück treffen.“ Er versprach es ihr. Nach einiger Zeit vergaß der Mann die dringende Bitte seiner Frau und sein Versprechen. Als seine Frau nicht im Hause war,  sah er den Korb im Dunkeln stehen, zog das Tuch davon und brach in lautes Lachen aus.  Als seine Frau nach Hause kam, wusste sie sofort, was geschehen war: „Du hast in den Korb geschaut.“, sagte sie traurig. Der Mann aber lachte nur und sagte: „Du dummes Weib. Was soll das Geheimnis um diesen Korb?   Da ist ja gar nichts drin!“

Und noch während er das sagte, wendete sie sich von ihm ab, ging in den Sonnenuntergang und wurde auf Erden nicht mehr gesehen.

Und warum ging sie weg?  Nicht, weil ihr Mann sein Versprechen gebrochen hatte. Sie ging, weil er die wunderbaren Sachen, die sie vom Himmel für beide mitgebracht hatte, nicht sehen konnte und darüber noch lachte.

„Sie lachen mich alle aus!“

„So sind wohl manche Sachen, die wir getrost belachen, weil unsere Augen sie nicht sehn.“, schreibt Matthias Claudius in seinem Abendlied.

Ich wünsche Ihnen und mir für das Jahr 2017, dass Gott uns an jedem der  noch auf uns zukommenden Tage  mit einem sehenden Herzen beschenkt. Das sehende Herz öffnet den Blick  für die Würde eines jeden Menschen und für die wunderbaren Sachen, die jeder von uns in seinem Korb hat.
 

Ilse Blomberg  (pens. Grundschul- und Religonslehrerin, Autorin)

Ilse W. Blomberg