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Gastautoren

Erinnerst du dich auch noch?

Unsere Gastautorin berichtet über eine Zeit, in der es nur einen Fernseher in der Straße gab....Schwelgen auch Sie in Erinnerungen?!?

Es war die Zeit, als es nur einen Fernseher in der Straße gab.

Ich war neun Jahre alt, die Große – die Vernünftige, als solche wollte ich auch behandelt werden. Aber wenn die Sandmännchen-Zeit kam, schämte ich mich nicht, meinen jüngeren Bruder zu schnappen und in die Nachbarschaft, fünf Häuser weiter zu ziehen, um dort das Sandmännchen, im Kreise vieler Kinder anzuschauen.

Ein Jahr später sah es schon anders aus, es gab schon einige Fernseher mehr in unserer Umgebung, da war es mir erlaubt, am Nachmittag zu einer Schulkameradin zu gehen, um die Serien „Rin Tin Tin“ oder „Lassie“ zu sehen.

Wenn ich an Wochenenden dann einmal zu Tante Herta und Onkel Heinz nach Mannheim fuhr, war es für mich ein besonderes Erlebnis, denn sie erlaubten mir, mit ihnen fern zu sehen. Sie weckten in mir, der Zehnjährigen, das Interesse an Fußball, Eishockey, Boxen, und Krimis schauen.

Als die Sendung „Aktenzeichen XY“ ins Fernsehen kam, zogen sogar meine Eltern abends los.

Aber einmal kamen sie nach kurzer Zeit wieder zurück. Mein Vater schimpfte fürchterlich und verkündete, dass es jetzt Schluss damit sei, jetzt käme ein eigener Fernseher her.

Zur Mondlandung, gerade noch rechtzeitig, zog somit eine Flimmerkiste bei uns ein. Ein braunes unförmiges Möbelstück mit einem winzigen Bildschirm, dazu eine riesigen Antenne auf dem Dach, die Stunden brauchte, um installiert zu werden, durch Zurufe meines Vater, der vor dem flimmernden Fernseher stand, hinauf zu dem Elektriker, der stundenlang die Antenne hin und her drehte, bis endlich ein passables Bild auf der Mattscheibe erschien.

Und ich bekam viereckige Augen, denn es gab so vieles zu entdecken, was über den Bildschirm flimmerte:

Die Mondlandung, die ich bis in die frühen Morgenstunden verfolgte, Filme, wie zum Beispiel „Die Karawane der Frauen“, „Im Westen nichts Neues“ oder Schauspiele, wie „Trauer muss Elektra tragen“ , Opern, wie „Tiefland“ und "Carmen", Konzerte von Edith Piaf und Josephine Baker, natürlich die Nachrichten und so vieles mehr.

Viele Jahre später, ich war erwachsen und zu Hause ausgezogen war, wohnte ich nun gegenüber vom Krankenhaus in einem möblierten Zimmer des angeschlossenen Schwesternhauses, aber Fernseher gab es darin noch nicht. Dafür besaßen einige meiner Mitbewohnerinnen einen eigenen Fernseher. Wieder kam die Zeit für mich, dass ich nach Feierabend auf Wanderschaft ging, wenn ich etwas Besonderes sehen wollte. Oft hatte ich Glück mit meiner Suche, aber nicht als die Weltmeisterschaft im Fußball anfing. Entweder hatten meine Kolleginnen, die im Besitz eines Fernsehers waren, Dienst oder sie sahen keinen Fußball.

Ja, so kam ich zu einem Fernseher, einen transportablen, den ich viele, viele Jahre besaß.

...Und ein wanderfreies, unbesorgtes Sehen all der Spiele der Fußball Weltmeisterschaft 1974 trotz einer winzig kleinen Zimmerantenne.

Jahrzehnte später schaue ich nun auf einem riesigen Full-HD-Fernseher, der die Dimensionen des Wohnzimmer zu sprengen scheint, der mir aber die Fußball-Weltmeisterschaft 2024 so nahe bringt, als wenn ich live am Spielfeldrand sitze.

© diekleinebenzman
Foto: Daniele Baack/www.pixelio.de

Anmerkung der Redaktion:
Also, schon damals gab es Public viewing, wenn die Nachbarn mit ihren Stühlen kamen, um am einzigen Fernseher der Straße die Weltmeistrschaften im Fußball zu verfolgen……nur eben in einem kleineren Rahmen soviel wie der Platz im Wohnzimmer hergab……es war trotzdem schön und vor allem gemütlich!!!

Foto: Daniele Baack