Glauben und Kirche
Können Hochzeitsglocken auch ohne Standesamt läuten?
- Glauben und Kirche
Ab Januar 2009 können Paare vom Gesetz her kirchlich heiraten, ohne zuvor vom Standesbeamten getraut worden zu sein.
Ab Januar 2009 können Paare vom Gesetz her kirchlich heiraten, ohne zuvor vom Standesbeamten getraut worden zu sein.
Das Trienter Konzil im 16. Jahrhundert beschloß, dass Brautleute, die vor ihrem Ortspfarrer im Beisein von 2 Zeugen den Willen zur Ehe bekannt gaben, von nun an "Mann und Frau" waren.
Doch Bismarck macht dem ein Ende. Im Februar 1875 wurde im gesamten Deutschen Reich die Zwangszivilehe eingeführt. So heftig der kirchliche Protest auch war, der Staat übernahm in Sachen "Ehe" die Regie……. jedoch nur für 133 Jahre!
Von der breiten Bevölkerung relativ unbemerkt wahrgenommen hat der Deutsche Bundestag 2007 das Recht der Eheschließung einschneidend geändert:
Ab 2009 können Paare auch ohne vorherige standesamtliche Trauung kirchlich heiraten.
Kirchliche Hochzeit und staatliche Trauung stehen somit ganz bedingungslos nebeneinander.
Diese Neuregelung wird vor allem von älteren, christlichen Paaren begrüßt. Sie können nun für ihre Zweisamkeit den Segen Gottes erhalten, ohne dabei ihre Hinterbliebenenansprüche einzubüßen. Denn vor Vater Staat gilt diese Verbindung weiterhin als "wilde Ehe" mit allen Vor- und Nachteilen. Ein Vorteil ist, dass wie gesagt die Witwenrenten weiterhin gezahlt werden. Nachteilig wirkt sich jedoch aus, dass aus dieser Beziehung z.B. kein Unterhaltsanspruch entsteht, das Erbrecht keine Anwendung findet, es keinen Steuerfreibetrag, beim Scheitern der Ehe keine Schutzvorschriften für den Schwächeren und keinen Zugewinnausgleich gibt.
Obwohl die Katholische Kirche mit dieser Aufwertung der kirchlich geschlossenen Ehe zufrieden sein könnte, kommen dennoch Zweifel auf. Ohne standesamtliche Trauung entstehen für die Eheleute keine gesetzlichen Rechte und Pflichten. Das Sakrament der Ehe beinhaltet aber, für den Partner zu sorgen "in guten wie in schlechten Tagen." Ein weiteres Problem tut sich auf, indem die Gefahr besteht, dass die Kirche ungewollt Bigamie legitimiert, wenn ein Hochzeiter eine zweite, vor dem Standesbeamten geschlossene Ehe, verschweigt.
Die Kirche wünscht sich darüber hinaus eine weiterhin enge Verbundenheit zwischen kirchlicher und staatlicher Eheschließung, weil es sich seit vielen Jahren bewährt hat.
In einem Erlass des Diözesanadministators wurde die Ordnung für kirchliche Trauungen bei fehlender Zivileheschließung bestimmt.
In einem Erlass des Diözesanadministrators (Kirchliches Amtsblatt Münster 2008
Nr. 23) wurde bezüglich der Ordnung für kirchliche Trauungen bei fehlender Zivileheschließung folgendes bestimmt:
Das Verbot der kirchlichen Trauung ohne vorhergehende Zivileheschließung entfällt nach der Novellierung des Personenstandrechts zum 1. Januar 2009. Eine solche kirchliche Trauung entfaltet jedoch keine Rechtsfolgen im staatlichen Rechtsbereich. Daher ist der Kirche daran gelegen, dass auch eine zivilrechtliche Ehe geschlossen wird, damit den Gläubigen deren Rechtswirkungen gewährleistet werden und sie auf diese Weise besser im Stande sind, die Pflichten gewissenhaft zu erfüllen, die mit der kirchlichen Trauung verbunden sind.
Eine kirchliche Trauung ohne vorhergehende Zivileheschließung soll nur im Ausnahmefall erfolgen, wenn eine standesamtliche Eheschließung für die Brautleute unzumutbar ist.
Bei fehlender Zivileheschließung ist immer das Nihil obstat des Ortsordinarius einzuholen.
Bei der Vorbereitung einer kirchlichen Trauung ohne vorhergehende Zivileheschließung ist wie folgt vorzugehen:
1. Es ist das gesonderte Formular zu verwenden.
2. Von den Brautleuten ist zu bestätigen, dass sie die kirchliche Trauung erbitten im Bewusstsein, dass diese keine rechtlichen Wirkungen im staatlichen Bereich entfaltet.
3. Die Brautleute versprechen, alle Pflichten zu übernehmen und gewissenhaft zu erfüllen, die sie mit der kirchlichen Trauung übernehmen; dazu gehört insbesondere auch die materielle Fürsorge der Ehepartner füreinander und für aus der Ehe hervorgehende Kinder.
4. Die Brautleute sollen die Gründe angeben, warum sie eine standesamtliche Eheschließung nicht wollen.
5. Die Erklärung der Brautleute ist von den Brautleuten vor dem zuständigen Pfarrer oder seinem Beauftragten zu unterschreiben.
6. Das Ehevorbereitungsprotokoll und die Erklärung der Brautleute werden an das (Erz-) Bischöfliche Ordinariat/Generalvikariat zur Erteilung des Nihil obstat durch den Ortsordinarius weitergeleitet.
7. Nach der kirchlichen Trauung erfolgt die vorgeschriebene Eintragung in die Kirchenbücher und/oder die Weitermeldung wie üblich.
Auf Anfrage der Redaktion teilt Pfarrer Andreas Lüke von der St. Bonifatius-Gemeinde in Ahlen u.a. mit:
(....) "Ich persönlich habe auch keine Probleme, wenn ein Witwenpaar kommt und nach der
neuen Regelung nur kirchlich heiraten möchte. Allerdings ist es bis heute noch nicht
vorgekommen. Früher gab es allerdings Fälle, von denen ich weiß, dass sie die immer schon
bestehenden Möglichkeiten einer nur kirchlichen Eheschließung im Ausland wahrgenommen
haben."
Die Evangelische Kirche hat bisher andere Regelungen. Die kirchliche Trauung besteht hier aus der Segnung des Paares. Der Pfarrer darf Paare erst nach der Eheschließung vor dem Standesbeamten in einem Gottesdienst segnen. Dieses wurde in einer Leitlinie aus 2004 so festgelegt.
Auf Anfrage der Redaktion teilt Pfarrerin Martina Grebe von der Neustadt-Kirche in Ahlen u.a. mit:
"Auch wenn der Deutsche Bundestag seine Gesetze verändert hat: Die
Evangelische Kirche ist bei ihren Regelungen geblieben. (….)
In der Tat segnen wir die Eheleute erst nach der Eheschließung vor dem
Standesamt bei der sogenannten kirchlichen "Trauung", die theologisch
gesehen evangelischerseits eine Segenshandlung der Kirche ist, die den
Frischvermählten für den gemeinsamen Weg Gottes Segen und Begleitung
zuspricht. Genau genommen "heiraten" Paare also aus evangelischer Sicht
nicht in der Kirche, sondern im Standesamt, in der Kirche kommen sie dann
bereits als Eheleute an und erhalten als solche den kirchlichen Segen.
Segenshandlungen sind in der evangelischen Kirche nicht nur im Rahmen der
Trauung, sondern auch in anderen Zusammenhängen möglich und üblich. Die
Konfirmation ist z.B. auch eine solche Segenshandlung an einer entscheidenden
Stelle des Lebensweges. Grundsätzlich können Menschen an besonderen Stellen
ihres Lebensweges auch um einen besonderen Segen bitten. Diese Möglichkeit
besteht zum Beispiel auch dann , wenn ein Christ/eine Christin einen
Nichtchristen/eine Nichtchristin geheiratet hat, aber auf Gottes Segen nicht
verzichten möchte. Das heißt dann zwar nicht "Trauung", aber auch dieses
Paar kann in einem Gottesdienst den Segen Gottes erfahren.
Ob und in welchem Rahmen solche besonderen Segenshandlungen auch für nicht
konventionelle Paare (z.B. auch gleichgeschlechtliche Lebensgemeinschaften)
möglich sind, läßt sich am besten im seelsorgerlichen Gespräch mit dem
jeweiligen Pfarrer, der jeweiligen Pfarrerin besprechen. Oft finden sich
dann Wege, die religiösen Bedürfnisse und Anliegen der Paare aufzunehmen,
ohne gegen kirchliche Rahmengesetzgebungen zu verstoßen."
Stand: 03.04.2009
